Gesunde Tiere sind kein Zufall!

... sie müssen produziert werden!

Plötzliche Todesfälle: Welche Rolle spielen die Futter-pH-Werte?

Plötzliche Todesfälle bei Mastschweinen und Sauen haben einen beachtlichen Anteil an den Verlusten in der Schweinehaltung. Welche Rolle Clostridien, Hefen und unzureichende pH-Werte des Futters spielen erläutert der Tierarzt Dr. M. Stein aus Gyhum.

Typisch ist, dass immer nur einzelne oder einige wenige Tiere sterben. Gut entwickelte Mastschweine und Sauen erkranken aus voller Gesundheit unter den Anzeichen eines Schocks bzw. Kreislaufversagens mit Taumeln, Lähmungen, Festliegen und Blässe der Haut. Selten zeigt sich zuvor ein blutiger Durchfall, der dann mit der Dysenterie verwechselt wird. Da die Tiere sehr rasch sterben, wird der Todeskampf selten beobachtet. Auffällig ist bei den verendeten Tieren der aufgeblähte Leib und die schnell einsetzende Verwesung.

Bei der Sektion in einem Untersuchungsamt findet man einen aufgeblähten und um die vordere Gekrösewurzel verdrehten Dünn- und Dickdarm. Der Dünndarm ist blutgefüllt, offensichtlich sind die Tiere in den Darm verblutet, was zur Bezeichnung ”Enterohämorrhagische Syndrom (EHS)” führte. Bei einer Laboruntersuchung wird häufig der Erreger „Clostridium perfringes Typ A, C, D “ isoliert. Dieser toxinbildende (Gift produzierende) Keim wird neben Hefen für die Gasbildung und die rasche Zersetzung der Tierkadaver verantwortlich gemacht.

Vorkommen und Ursachen

Die Krankheit kommt sowohl in Mast – und Zuchtbetrieben Nordamerikas als auch Mitteleuropas vor. Die genaue Ursache ist letztlich noch nicht aufgeklärt, obwohl man Zusammenhänge zum Auftreten von bestimmten Schadfaktoren und Managementfehlern herstellen kann. Auffällig ist, daß das EHS häufig, aber nicht ausschließlich in Mastbetrieben auftritt, die Molke und andere Abfälle aus der Lebensmittelverarbeitung verfüttern. Gelegentlich wird deshalb für das EHS auch der Begriff ”Molkesyndrom” verwendet.

Futterwechsel

Krankheitsförderliche Faktoren sind eine rasche Futterumstellung und das Verfüttern großer Eiweiß- und / oder Kohlehydratmengen, die dann unverdaut in den Dünndarm gelangen, wo es dann zu einer explosionsartigen Vermehrung von Clostridien kommt. Bekanntlich schwankt die Zusammensetzung der Molke ganz erheblich, da häufig auch noch Speisequark, Milch und Butterreste beigemischt werden.

Hefen

Daneben kann aber auch ein höherer Gehalt an Hefen im Futter für eine massive Gasbildung und damit Aufgasung des Darmes verantwortlich gemacht werden. Bei Fütterungsversuchen verursachte ein Gehalt an Hefen von nur 106 KBE (koloniebildende Einheiten) pro Gramm Mischfutter bei Mastschweinen Durchfälle und Darmaufgasungen mit tödlichem Ausgang. Hier ist an CCM und an andere stärkereiche und feuchte Futtermittel zu denken, da diese Futtermittel den Hefen optimale Entwicklungsbedingungen bieten.

Bakterielle Zersetzungsprodukte

Durch den Verderb von Futterinhaltsstoffen wird das Futter nicht nur im Nährwert gemindert, sondern es entstehen durch die Stoffwechselaktivität von Bakterien und Hefen eine Reihe von pharmakologisch hochwirksamen Verbindungen, die vielfältige Wirkungen im Schwein entfalten.

Tab. 1: Mikroorganismen im Flüssigfutter und deren
Stoffwechselprodukte (Nagel, 1998)

Mikroorganismen

Produkte aus Zucker

Produkte aus Eiweiß

Hefen

Ethanol (Alkohol)

CO2

Milchsäurebakterien

Milchsäure

Essigsäure

Ethanol (Alkohol)

CO2

biogene Amine

( z. B. Histamin,

Tyramin )

Enterobacteriaceen

Ameisensäure

Bernsteinsäuren

Butandiol

Essigsäure

Milchsäure

H2, CO2

Bitterpeptide

biogene Amine

Ammoniak

Schwefelwasserstoff

andere Schwefelverbindungen

Tab 2: Mögliche Auswirkungen ausgewählter mikrobieller
Stoffwechselprodukte auf Schweine (Nagel, 1998)

Substanz

Wirkung

CO2

Aufgasen nach Futteraufnahme, verringerte Futteraufnahme,
Unruhe, Todesfälle

Ammoniak

verringerte Schmackhaftigkeit des Futters

Schwefelwasserstoff

drastisch verringerte Schmackhaftigkeit des Futters, Bindung
von Eisen u. anderen Metallen durch Bildung von Metall – Sulfiden

Biogene Amine:

Histamin

Blutdrucksenkung,

allergische Erscheinungen,

erhöhte Magensaftsekretion,

verringerte Futteraufnahme

Tyramin

Blutdruckanstieg, Unruhe, Durchfall, Hautrötung, verringerte
Futteraufnahme

Aber auch ein Befall mit Darmparasiten (Spulwürmer und Coccidien), Mykotoxine im Futter, unhygienische Haltungsbedingungen und die Überbelegung der Stallungen kann krankheitsbegünstigend wirken.

Unzureichende Futter-pH-Werte

Über den Zusatz von Säuren zum Futter wurde viel berichtet. Der Erfolg mit dem Säurezusatz schwankt von „sensationell gut“ bis „eher bescheiden“. Handelsübliche Futtermittel ( Mehle u. Pellets ) und hofeigene Mi­schungen haben nach eigenen Messungen des Autors ein pH-Wert von etwa 5,7 bis 6,2. Zwar mischen viele Mischfutterhersteller ihren Futtermitteln Säuren zu und den Selbstmischern werden Säurezusätze verkauft, aber merkwürdigerweise werden die notwendi­gen pH-Werte um 4,5 im Futter häufig nicht erreicht. Und eines sollte man sich klar machen: Ein Futter mit dem pH-Wert 4,5 ist 10 mal saurer als ein Futter mit dem pH-Wert 5,5 (!). Eine schnelle Absenkung des pH-Wertes ist aber für eine rasche Magenpas­sage, zur Abtötung von unerwünschten Bakterien und zur Aktivierung von Verdauungsenzymen notwendig.

Wasser verdünnt Magensäure

Schweine, die flüssig gefüttert werden, nehmen zwangsläufig große Wassermengen auf, so dass hierdurch die Magensäure erheblich verdünnt und neutralisiert wird. Beim Futter spielt die sogenannte Säurebindungskapazität, insbesondere der Eiweißträger und der Mineralstoffe, eine entscheidende Rolle. Futtermittel mit einer hohen Säurebindungskapazität (SBK) neutralisieren nicht nur zugesetzte Futtersäuren, sondern auch die Magensäure.

Tabelle 3: Orientierungswerte zur Säurebindungskapazität
von Einzel – und Mischfuttermitteln.

Futtermittel

SBK

( meq/kg )

Futtermittel

SBK

( meq/kg )

Weizen

370

Mineralfutter o. Phytase

Gerste

344

Ferkel

4600 – 6600

Mais

373

Mast

> 7500

Triticale

465

Zucht

> 7500

Roggen

366

Hafer

402

Haferflocken

348

Weizenkleie

854

Mineralfutter m. Phytase

Sojaschrot NT

1240

Ferkel

4500 – 5800

Sojaschrot HP

1353

Ferkel – Diät

3500

Bierhefe

1241

Ferkelfutter

Ackerbohnen

813

hofeigen

750 – 900

Erbsen

678

Handel

850 – 1000

Lupinen

1056

Diät

550 – 650

Magermilchpulver

1444

Molkepulver

1052

Kaseinpulver

912

Rapssamen

878

Rapskuchen

1195

Grünmehl / Cobs

1067

CCM

414

( Quelle: Dr. H. Lindermeyer, Bayrische
Landesanstalt für Tierzucht, Grub )

Tabelle 4: Berechnung der Säurebindungskapazität ( SBK )
eines Ferkelfutters. Ziel: Reduzierung der SBK auf < 700 meq / kg im
Ferkelfutter
.

Komponente

SBK / kg

Anteil

SBK meq

Mineralfutter o. Phytase

4600 – 6600

3 %

138,0 – 198,0

Sojaschrot NT

1240

20 %

248,0

Gerste

344

35 %

120,4

Weizen

370

40 %

148,0

Weizenkleie

854

5 %

42,7

Summe

100 %

697,1 – 757,1

Wie Tabelle 3 zeigt, läßt sich für alle Futterkomponenten, die Säurebindungskapazität
angeben. In Zukunft sollte es Standart sein, daß der Hersteller eines Mineralfutters auf der Deklaration die SBK angibt. So kann der Landwirt die SBK seiner Futter berechnen, wobei der Wert nicht über 700 meq SBK / kg Futter liegen sollte. Unser Berechnungsbeispiel in Tabelle 4 zeigt, dass insbesondere durch die Auswahl des richtigen Mineralfutters die SBK eines Futters entscheidend beeinflusst wird, denn im Mineralfutter befinden sich häufig Komponenten mit hoher SBK wie Kalziumkarbonat und Magnesiumoxid.

Problem Rohfaser

Zur Verhinderung des EHS werden Rohfaseranteile von etwa 4,5% und mehr in der Ration
empfohlen. Leider wird es immer schwieriger, diese Empfehlung zu befolgen. Währen z.B. Gerste in Tabellenwerken mit etwa 4,6 % Rohfaser angegeben sind, liefern moderne Hochleistungssorten nur etwa 1,9 % Rohfaser, da bei der Zucht auf einen großen Mehlkörper Wert gelegt wurde. Hier muss mit Weizenkleie (Mycotoxine?), Sonnenblumenschalen oder unkonventionellen Rohfaserträgern wie Citrustrester, Leinsamen- oder Rapsschrot der Rohfasergehalt in der Ration angehoben werden, ohne dass die Akzeptanz leidet.

Hygiene!

Auf Flüssigfutterbetrieben gilt:

  • Futter erst vor der Fütterung anmischen
  • Spülen der Ringleitungen mit Propionsäure
  • Gezielte Reinigung der Leitung vom Ventil in den Trog, da der „letzte Meter“ beim Spülen mit Propionsäure nicht erfasst wird.
  • Verkrustungen am Trogauslauf und Rand des Mischbehälters beseitigen, da diese ”Gebilde” mit Keimen und Schimmelpilzen verseucht sind
  • Schwimmdecken auf Molketanks vermeiden! Regelmäßige Reinigung!

Breifutterautomaten müssen ebenfalls regelmäßig von schimmelnden und faulenden Ablagerungen gereinigt werden.

Tab 5: Empfehlungen mikrobiologischer Richtwerte für
Flüssigfutter

Mikroorganismen

noch akzeptabel

Warnwert

nicht akzeptabel

aerobe Kolonienzahl*

107

108

109

Enterobacteriaceen

103

104

105

Lactobacillen

106

107

108

Hefen

106

107

108

Schimmel

104

105

106

Aminosäuren – abbauende Lactobacillen

103

104

105

pH – Wert

4,2 – 4,8

< 4,0 / > 5,0

* Gesamtkeimzahl, Werte pro Gramm oder Milliliter Flüssigfutter

Bei der Gefahr von Verdauungsstörungen kann Procura® 10 % Granulat in einer Dosierung von 800-1.000 g/t Futter beigemischt werden. Natürlich müssen durch eine regelmäßige Entwurmung der Ferkel beim Einstallen und durch Futterkonservierung d. h. Vermeidung einer Mykotoxinbildung die weiteren krankheitsförderlichen Faktoren ausgeschlossen werden.

Fazit

Einen Einfluss auf die Zusammensetzung von Molke und anderen Restmengen aus der Lebensmittelverarbeitung ist nur schwerlich möglich, so dass alle anderen oben beschriebenen Prophylaxeverfahren ausgeschöpft werden sollten. Trotzdem sind diese Reststoffe preiswerte und hochwertige Futterkomponente, die richtig eingesetzt, die Rentabilität der Schweinemast deutlich verbessern können. Zudem ist die Verwertung dieser Restmengen aus der Lebensmittelverarbeitung ein Gebot des Umweltschutzes.